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Die Sprache der Berührung – Arten, Qualitäten und ihre Wirkung auf Körper & Nervensystem

Berührung ist unsere erste Sprache. Noch bevor wir sprechen konnten, haben wir gespürt: den Herzschlag der Mutter, das Gewicht einer Hand, die Wärme von Haut auf Haut. Doch nicht jede Berührung fühlt sich gleich an – manche nährt, manche verunsichert, manche heilt, manche überfordert.

In der somatischen Begleitung, in Methoden wie SomaTouch®, Somatic Experiencing, Hakomi oder NeuroAffective Touch, wird Berührung nicht als Technik verstanden, sondern als Beziehungsraum. Ein Raum, in dem etwas geschehen darf – aber nichts geschehen muss.

In diesem Artikel erfährst du:

  • Welche Grundformen von Berührung es gibt

  • Wie sich Qualitäten von Berührung auf das Nervensystem auswirken

  • Warum manche Berührungen sicher und andere bedrohlich wirken

  • Wie du in der Selbstanwendung oder Begleitung bewusster mit Berührung arbeiten kannst

Traumasensible Berührung

1. Berührungsarten – mehr als Hautkontakt

Wir denken oft an Berührung im rein physischen Sinne – aber somatisch gesehen gibt es verschiedene Ebenen:


Physische Berührung

Die klassische Form – Haut-zu-Haut oder durch Kleidung. Sie kann streichend, haltend, drückend oder ruhend sein.


Energetische Berührung

Manche spüren „Kontakt“, auch wenn die Hand nicht direkt aufliegt. Nähe, Präsenz und Ausrichtung können allein durch Intention spürbar sein.


Emotionale Berührung

Auch Worte, Blicke oder Gesten können tief „berühren“. Das Nervensystem registriert emotionale Resonanz oft feiner als physischen Druck.


Selbstberührung

Die Berührung durch die eigenen Hände – besonders wirksam, weil sie gleichzeitig Senderin und Empfängerin ist. Selbstberührung kann trösten, regulieren und erinnern: „Ich bin da.“



2. Qualitäten von Berührung – was das Nervensystem wirklich beruhigt

Nicht dass berührt wird, macht den Unterschied – sondern wie.


Langsamkeit bzw. die richtige Geschwindigkeit

Eine langsame Berührung lädt das Nervensystem ein, sich zu orientieren. Sie ist weniger bedrohlich, weil sie vorhersehbar bleibt. Andererseits kann langsame Berührug auch bei entsprechenden Erfahrungen in der Vergangenheit triggern. In SomaTouch® gilt: Nur waszu deinem System passt, kann wirklich gespürt werden.


Druck & Gewicht

Sanfter, klarer Druck (z. B. durch eine ruhende Hand) wirkt oft beruhigender als leichtes Streicheln – besonders bei Menschen mit Trauma oder Hypervigilanz. Das Gefühl von „ich werde gehalten“ statt „ich werde erregt“.


Rhythmus

Rhythmische Berührungen – z. B. ein leichtes Wiegen – können regulierend wirken, wenn sie vorhersehbar und gleichmäßig sind. Das erinnert den Körper an frühkindliche Regulation (z. B. Herzschlag, Wiegen im Arm).


Klarheit

Eine Berührung ist entweder da – oder nicht. Halbherzigkeit oder Zögern können das System verunsichern. Klare, eindeutige Berührung (in Präsenz, Richtung und Dauer) gibt Sicherheit.


Wahlfreiheit

Die sicherste Berührung ist die, auf die ich „Ja“ sagen kann – und zu der ich auch „Nein“ sagen dürfte. Selbst wenn ich „Ja“ sage, entspannt sich mein System nur, wenn ich auch die Möglichkeit zum Nein spüre.



3. Warum manche Berührungen triggern – und andere heilen

Berührung ist eng mit unserem impliziten Gedächtnis verknüpft – dem Teil unseres Nervensystems, der „fühlt“ und reagiert, noch bevor wir etwas verstehen oder benennen können.

Für Menschen mit Bindungstrauma, Missbrauchserfahrungen oder medizinischen Übergriffen kann Berührung daher…

  • … Sicherheit oder Überwältigung auslösen

  • … Ressource oder Trigger sein

  • … Verbindung oder Rückzug bewirken


Daher ist es zentral, Berührung traumasensibel zu gestalten: mit Pausen, Erlaubnis, Pendelarbeit und feiner Beobachtung von Körpersignalen.



4. Somatische Praxis – bewusster Umgang mit Berührung

Ob in der Selbstanwendung oder in der Begleitung: Die folgenden Impulse helfen dir, Berührung sicher und heilsam zu gestalten.


Übung: „Ankommen in der Berührung“

  1. Setze dich bequem hin.

  2. Lege eine Hand auf dein Brustbein – nicht um etwas zu verändern, sondern um da zu sein.

  3. Frage dich innerlich: Wie fühlt sich das gerade an?

  4. Bleibe, verändere oder höre auf – je nachdem, was dein Körper sagt.

Wichtig: Es geht nicht darum, „die richtige“ Berührung zu finden – sondern um Beziehung. Zwischen dir und deinem Körper. Zwischen dem Jetzt und dem Damals. Zwischen Kontakt und Rückzug.

Fazit: Berührung ist ein Gespräch

Jede Berührung ist eine Einladung – und nie eine Forderung.

Die Qualität, mit der du berührst oder berührt wirst, entscheidet darüber, ob dein Nervensystem in Schutz oder in Verbindung geht. In einer Welt voller Reize, Leistungsdruck und Selbstoptimierung erinnert Berührung uns daran:

Heilung geschieht nicht durch mehr Tun – sondern durch echtes Spüren.

SomaTouch®, SE, Hakomi und NeuroAffective Touch bieten Zugänge zu einer Berührung, die nicht „behandelt“, sondern begleitet.

Und vielleicht beginnt die tiefste Berührung da, wo du dir selbst die Hand reichst.

 
 
 

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